DER AUTOR
Siegfried C. Strasser: über mein bisheriges Leben

Geboren am 12. Oktober 1953 in einer oberösterreichischen Kleinstadt mit dem Namen Grieskirchen, wuchs ich mit meiner um neun Jahre älteren Halbschwester Elke als Kind eines Kaufmanns-Ehepaars auf. Meine Mutter war „Tabakhauptverlegerin“, wie das damals hieß, und besaß ein Geschäft, in dem Zigaretten, Zigarren, Pfeifen, Tabak sowie Papierwaren, Souvenirs und Zeitungen, Zeitschriften, sogenannte „Schundhefte“ wie Arztromane, Perry Rhodan, Jerry Cotton verkauft wurden. Um das Altpapier und die Zigarettenkartons zu lagern, gab es in einem Anbau an eine vom Adoptiv-Großvater – er hatte meine Mutter an Kindes Statt angenommen – 1927 errichtete Villa in der Nähe des Bahnhofs und damit neben den Gleisen der Westbahn gelegen; für das Kindergartenkind genug Gelegenheit, mit Buchstaben, Wörtern, Sätzen, Texten auf Zeitungspapier in Berührung zu kommen. Lange vor der ersten Volksschulklasse konnte ich lesen, bald auch ungelenk schreiben. Meine Schwester half mir dabei, so wie sie mich auch zum Rauchen verführte, als sie 16 und ich sieben war. Nach den ersten Zügen kam mir der Magen hoch, und ich ließ es wieder bleiben, aber mit elf war ich schon ein heimlicher Raucher, wenn auch nur gelegentlich, versteht sich. Die elterliche „Tabaktrafik“ hatte also die Leitlinien vorgegeben: die Literatur und das Rauchen. Von Letzterem bin ich, wenn auch erst spät, genau am 1.Mai 1994, Ayrton Sennas Todestag in Imola, losgekommen; von Ersterem naturgemäß nie, und das wird auch so bleiben.
Der sogenannte Lagerraum barg Schätze, die ich allmählich eroberte, nämlich in Gestalt von Samstag-Ausgaben des Kurier und des Express, den zu Beginn der sechziger Jahre führenden österreichischen Tageszeitungen, denen ich mit Schere und Klebstoff zu Leibe rückte, denn ich wollte Berichte über Autos, später fast nur mehr über Autorennen, ausschneiden und in ein großes Pressspannheft einkleben, womit ich mit elf, zwölf Jahren anfing und erst 1968 aufhörte, weil dann die Bücher, Motorsportbücher sich als wesentlich sinnvollere Lektüre erwiesen, neben der Autorevue, Powerslide, auto, motor und sport, die ich regelmäßig verschlang, nachdem ich sie einmal entdeckt hatte, Powerslide übrigens beim Urlaub am Schwarzsee in Kitzbühel, im August 1967. Am schwarzweißen Cover flog Denny Hulme im Brabham-Repco über den Nürburgring.
Zum 12. Geburtstag wünschte ich mir und bekam Autojahr 13, die Geschichte der Rennsaison 1965; das berühmte Schweizer Jahrbuch lag unter dem Christbaum, der in den Jahren danach immer mehr Bücher dieser Art mit seinen kerzenbewehrten Ästen beschatten sollte.
Anfang September 1965 erlebte ich mit meinen Eltern das Gaisberg-Rennen in Salzburg. Im berüchtigten Schnürlregen stand ich, mit Stoppuhr und Uralt-Fotoapparat bewaffnet, einer Balgenkamera, mit der man höchstens zwölf Aufnahmen machen konnte, am Streckenrand und hörte und sah den Ferrari Dino von Ludovico Scarfiotti die Gersbergalm heraufschießen, Gerhard Mitters Ollon-Villars-Porsche im Regen dröhnen, die neuen Porsche 904 mit Stommelen, Greger und Weber leichtfüßig und ungemein, ja unvorstellbar schnell die Grenzen der Physik überwinden. In der Pause zwischen den beiden Läufen konnte ich vom Gipfel, zu dem ich während des Rennens gewandert war, den Deutschen Malte Huth, der einen hellblauen Porsche 911 T fuhr, dazu überreden, mich hinunter mitzunehmen. Wir schossen in einem Höllentempo kurzfristig das schmale Asphaltband zur Tankstelle hinab, ich wurde in den schwarzen Schalensitz gepresst und bekam einmal kaum Luft, aber ich genoss jede Sekunde.

Seit dem fünften Lebensjahr erhielt ich Flötenunterricht, seit dem sechsten auch Klavierunterricht. Ich spiele noch heute Klavier. Kurz dachte ich, Musik zu studieren, nachdem ich das Gymnasium in Wels mit der Reifeprüfung abgeschlossen hatte. Aber eigentlich liebte ich ja die Sprachen.
Ich studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Salzburg und schloss das Studium 1981 mit dem Magister der Philosophie ab. 1988 promovierte ich zum Dr. phil., ab 1981 unterrichtete ich an der Höheren technischen Bundeslehranstalt Salzburg Deutsch und Englisch, war in der Erwachsenenbildung am Wirtschaftsförderungsinstitut Salzburg tätig, arbeitete bei der Österreichisch-amerikanischen Gesellschaft als Lehrer und unterrichtete Deutsch für Ausländer, was ich später in Firmen fortsetzte; ich betreute schließlich im Zuge eines Lehrauftrags Studenten der Anglistik.
1983 heiratete ich und wurde im Lauf der Jahre Vater dreier Kinder.

Viele Jahre später, Gerhard Mitter war längst tot, Scarfiotti, Clark, dann Hill, Koinigg, Peterson, Höttinger, de Angelis, Ratzenberger, Senna, alle tot, aber meine Leidenschaft lebte weiter. Bei einem Spaziergang im vereisten Wald in der Nähe unseres Hauses an der Staatsgrenze zu Deutschland stürzte ich und brach mir ein Bein, was mich zu einer mehrwöchigen Zwangspause verurteilte. Ich hatte mehr Zeit zum Nachdenken als sonst und entschied mich, mein erstes Buch zu schreiben, den „Rennberg“, der 2004 als erste Dokumentation der Rennen auf den Salzburger Gaisberg vor und nach dem Krieg veröffentlicht wurde. Ein Kapitel war Gerhard Mitter, dem Bergkönig der sechziger Jahre, gewidmet, dem Dominator auf dem Hausberg der Mozartstädter. Und als ich dann seinen Sohn und seine Familie kennenlernte, weil es in Tübingen im Boxenstop-Museum eine Gerhard-Mitter-Sonderausstellung gab und weil ich diesen ehemaligen Porsche-Werksfahrer nicht dem Vergessen anheimfallen lassen wollte, begann ich die Biographie dieses 1965 am Gaisberg bewunderten Rennfahrers zu schreiben. Nun liegt sie vor, seit Ende August 2010, publiziert von Hans-Jürgen Schneider und seinem Team. Ich bin stolz darauf.

Wals, 24. November 2010
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Siegfried C. Strasser